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Im Wrestling gibt es die unterschiedlichsten Typen und das ist auch verdammt noch mal gut so. Eine klare Linie lässt sich ziehen zwischen den eher "realistischen" Charakteren und den Comic-Figuren. Klassische Beispiele zum Real-Charakter sind Chris Benoit, Bret Hart und auch noch schillernde Figuren wie Hulk Hogan oder Shawn Michaels. Sobald das Gimmick über das bloße Verhalten und die Einstellung hinaus gehen, wird ein realer Charakter zur Comic-Figur - und ich möchte hier bewusst keinerlei Wertung für oder gegen den einen oder anderen Typen aussprechen. Für die Storyline-Writer haben beide Arten von Wrestlern ihren speziellen Reiz. Zwei Comic-Figuren lassen sich durch Betonung ihrer Eigenheiten sehr gut gegeneinander ausspielen, was oft zu schönen Trash-Matches führt, oder wie es manchmal so nett gesagt wird: "Old School". Ebenso "Old School" kann aber auch ein Aufeinandertreffen zweier Realtypen sein, also sowas wie "Very Old School" - sprich: Nostalgie aus Zeiten, die zu unseren "Old School"-Zeiten bereits "Old School" waren, denn die frühen Jahre des Wrestling legten noch weniger Wert auf Show und so war der Comic-Charakter doch eher selten zu sehen. Aber auch Kombinationen aus den beiden Charakterrubriken haben durchaus ihren Reiz. Man nehme beispielsweise den Großteil der bisherigen Boogeyman-Fehden - hier lebte die Geschichte davon, dass eine Comic-Figur auf einen klaren Charakter trifft, der alles andere als "Comic" war.
Es sind am Ende aber genau diese Comic-Typen, die die wunderbarsten Steilvorlagen für Gimmickmatch-Trash liefern. Aus straighten Typen entstehen immer nur wrestlerisch anspruchsvolle Matcharten wie Submission-, Cage- oder Ladder-Matches. Aus Trash wird Trash. Aus dem verbrannten kleinen Bruder des Undertaker entstand so beispielsweise das stimmungsvolle Inferno-Match - toll anzusehen und igrendwie witzig inszeniert, aber trotzdem Trash hoch drei. JBL hatte sein Bullrope-Match, Goldust lieferte uns etwas namens "Final Curtain"-Match und der König unter den Trash-Matches ist und bleibt das historische Lumberjack-Match, bei dem der Trash daraus entstand, dass man möglichst viele Trash-Charaktere um den Ring versammelte. Und damit wird der Bogen gespannt zu Platzierung 6 der doofsten Matches der Neuzeit mit dem unbestrittenen Herrscher der Trash-Matches:
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Great American Bash 2004
"Concrete Crypt" 1 on 2 Handicap Match
the Undertaker vs. the Dudley Boyz
Niemand lieferte den Bookern von World Wrestling Entertainment mehr Flanken auf den Fuß als der Deadman. Noch heute zählt sein Charakter - so etabliert, legendär und unantastbar er auch ist - zu den Trash-Charakteren überhaupt. Ein Sensenmann, der seine Promos auf Friedhöfen abhält und dessen Finisher "Grabstein" und "Letzte Reise" heißen. Was haben wir dem Undertaker nicht alles zu verdanken? Allen voran natürlich das Casket-Match mit seinem unerreichten Höhepunkt beim Royal Rumble 1994. Die Weiterentwicklung des Grundgedanken bescherte uns schließlich "Hell in a Cell" und das "Last Ride" Match - zusammen mit Mankind entwarf der Taker das Heizungskeller-Match und mit dem Great Khali "Punjabi Prison". Und doch, wenn man mal durch die Reihe all dieser Kämpfe geht, waren sie doch alle irgendwo Kult und hätten in dieser Serie nichts zu suchen.
Eine Sache gab es da aber noch, die ich bisher nicht erwähnte. Gleichsam einer der schwärzesten Momente in der WWE-Pay-Per-View-Geschichte und in den Karrieren sämtlicher Beteiligter. Im Jahr 2004 belebte World Wrestling Entertainment den traditionsreichen "Great American Bash" wieder und schmückte seine Card mit etlichen Squash-Matches uninteressanter Neulinge, dem damals skandalös anmutenden Titelgewinn JBL's gegen Eddie Guerrero in einem "Texas Bullrope Match" und eben dem Match, um das es hier geht - dem Concrete Cryp Debakel um den Undertaker, die Dudleys, Paul Heyman und Paul Bearer. Der Undertaker war jüngst in seinem Ursprungsgimmick als Deadman zurückgekehrt und hatte sein Pflichprogramm mit Kane abgeschlossen. Neue Gegner mussten her. WWE hielt nicht nur einen bereit, sondern gleich zwei: D-Von und Bubba Ray Dudley - die Erklärung war eher mau, man benutzte Heyman als Vorwand. Denn eigentlich hatte dieses Match - welches übrigens Main Event der grausigen Veranstaltung war - nur zwei Ziele: 1. Den Undertaker-Hype ausnutzen und ihn gegen irgendwen antreten lassen. 2. Paul Bearer aus den Shows entfernen. Genau, denn Bearer war mit dem Undertaker zusammen zurückgekehrt - ihn wollte man jedoch nicht langfristig in den Shows behalten, zudem hatte er noch gesundheitliche Probleme. Was man also tat war folgendes: Die Dudleys klauten dem Undertaker zur Abwechlung mal nicht nur die Urne, sondern Paul Bearer gleich mit. Dann baute man einen Glaskäfig, stellte einen Stuhl hinein und nebendran einen Betonmischer, dessen Abstrahler direkt in die Glaskammer zeigte. Die Stipulation: Sollte der Taker verlieren, würden Heyman und die Dudleyz Paul Bearer einbetonieren. Ja, im Jahr 2004 bei World Wrestling Entertainment. Man klaute also nicht nur der WCW ihr 90er-Jahre-PPV-Highlight, sondern das Trash-Booking gleich mit. Beim PPV selber zeigte man dann nach und nach, wie Bearer immer weiter im Beton versank - allerdings nur auf dem Titan Tron, bei der Show war Bearer nämlich gar nicht anwesend. Man hatte ihn durch einen dicken Stuntman ersetzt und auf dem Bildschirm Aufnahmen des Nachmittags mit Bearer gezeigt. Natürlich siegte der Undertaker, er schien aber dennoch keinen Bock auf seinen Mentor zu haben und versenkte ihn daher eigenhändig im Beton - naja, also nicht ihn, sondern den Stuntman, aber dazu wurde ein Video gezeigt, wie Bearer versinkt.
Dummerweise steht in den Gesetzten der Familienfreundlichkeit von WWE, dass man in den Shows keine Menschen sterben lässt - auch nicht als Teil einer Storyline. Also musste flux ein Video mit dem dicken Stuntman nachgedreht werden, bei dem es so aussah, als wäre Bearer noch entkommen. Aufgetaucht ist er trotzdem nicht mehr. Naja, war ja auch sicherlich ziemlich angepisst vom Undertaker - schließlich ne ätzende Aktion von ihm. Ich meine, einbetonieren und so...
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In Your House VI (1996)
"Cry Baby Match"
Razor Ramon vs. the 1-2-3 Kid
Weniger spektakulär inszeniert, aber im Abgang ähnlich trashig war ein Aufeinandertreffen von Razor Ramon und dem 1-2-3 Kid acht Jahre vor dem Concrete Crypt Match. Beim sechsten In-Your-House-Pay-Per-View standen sich die beiden ehemaligen Buddies in einem sogenannten "Cry Baby" Match gegenüber. Die Geschichte der beiden begann damit, dass der Kid - damals ein namenloser Jobber - überraschender Weise über den großen Star Razor Ramon triumphierte. Anstatt sauer zu sein, zollte Ramon dem jungen Mann Respekt und fortan traten die beiden Face als Team auf. Der Split sollte allerdings nicht lange auf sich warten lassen und allen Vorzeichen zum Trotz ließ man nicht Razor wieder Heel turnen, sondern ließ den 1-2-3 Kid seine Gesinnung wechseln. Anfang des Jahres kostete der Mann mit dem idiotischsten Namen der Wrestlinggeschichte dem Bad Guy seinen Intercontinental Championtitel und schloss sich anschließend standesgemäß für einen Heel Ted DiBiase an. Die andauernden Angriffe und das Betteln um einen weiteren Kampf legte Ramon zum Gefallen des Publikums als "Jammern" aus und so entstand die Grundidee zum Cry Baby Match. Derjenige, der das Match verliert, der muss eine Windel tragen und an einem Schnuller lutschen. Mann, das klingt so verdammt idiotisch, aber das war tatsächlich die Klausel des Kampfes. Letzten Endes hatte der Kid im Match nicht viel zu wollen und wurde bereits während des Kampfes durch Razor's Überlegenheit gedehmütigt. Zwei Razor's Edge's und das anschließende Cover machten den späteren X-Pac dann zum "Cry Baby". Ramon verpasste ihm eine Windel, einen Schnuller und puderte zur Feier des Tages nicht nur den Unterlegenen sondern Onkel Ted gleich mit ein.
Wie, wenn nicht so, möchte man seine erfolgreiche Karriere als frisch geturnter Heel beginnen? Naja, gejammert hat Waltman danach zumindest In-Gimmick nicht mehr.
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