Es ist immer wieder interessant mitanzusehen, wie sich Karrieren von Wrestlern im Laufe der Zeit entwickeln. So wurde aus dem "Cry Baby" der letzten Ausgabe beispielsweise ein sehr erfolgreiches dX-Mitglied, dass seinen peinlichen ersten Run vollkommen vergessen machen konnte. Das Kiss-My-Foot-Spinoff zwischen dem Hitman und Jerry Lawler's Zahnarzt entwickelte sich gar noch fantastischer. Aus dem Zahnarzt Dr. Isaac Yankem D.D.S. wurde nach zahlreichen Matches gegen Bret Hart ein Diesel-Double, dass den Abgang von Kevin Nash in Richtung WCW verharmlosen sollte - und schließlich wurde daraus der kleine verbrannte Bruder des Undertaker, der in diesem Gimmick über viele Jahre einer der absoluten Top-Stars der Liga war und heute noch ist. Der unscheinbare Hinterwäldler-Cowboy Justin "Hawk" Bradshaw legte zunächst seine ersten beiden Namen ab, um ein mystisches Tag Team mit dem ehemaligen Space-Gladiator Faarooq zu gründen. Aus den dunklen Jüngern wurde die saufende Protection Agency und schließlich gönnte sich Bradshaw wieder zwei zusätzliche Namen und gewann als John "Bradshaw" Layfield den WWE Championtitle. Ganz ehrlich: Nach Justin "Hawk" Bradshaws erstem Auftritt hätte ich das nicht vermutet.
Natürlich gibt es dann auch wieder die negativ-Beispiele, die ihren großen Spot hatten, nach der großen Aufmerksamkeit aber immer weiter und weiter in der Versenkung veschwanden. Eugene wurde gar für den Main Event gehandelt - muss er heute in unter zwei Minuten für Johnny Nitro jobben. Snitsky gewährte man einst einen Beinahe-Squash-Sieg über Kane, dümpelte er seitdem nur noch in der Lower Card, bis man ihm die Haare und den Bart abschnitt und zur ECW verfrachtete. Stichwort ECW: Sandman, Sabu, Mahoney.
Was uns das Ganze sagen will: Ein großer Spot muss im Wrestling absolut gar nichts für die Zukunft aussagen. Billy Gunn war King of the Ring - na und? Eben, nichts na und. Carlito und Chris Masters standen in der Elimination Chamber, Hardcore Holly im Titelmatch des Royal Rumble und Luther Reigns in einer Fehde mit dem Undertaker. Unscheinbare Typen hingegen sind heute World Champion - ich weiß, in seiner Gegenwart darf man ihn niemals so nennen, aber ich hoffe er wird das hier niemals lesen: ich sage nur "Deacon Batista". Das Gimmick eines Mannes verhilft ihm oft in eine Position, der er langfristig nicht gerecht werden kann und am Ende sind es dann so oft die anderen, Unscheinbaren, die unerwartet den Weg zur Spitze nehmen. So auch in unserem ersten Match in dieser Ausgabe, Platz Vier der doofsten Matches der Neuzeit:

In Your House V (1995)
"Hog Pen Match"
Henry O. Godwinn vs. Hunter Hearst Helmsley
/ Special Referee: Hillbilly Jim

Hog Pen - Auf deutsch: "Schweinestall". Auf wessen Gimmick diese Matchart beruhte, bedarf wohl keiner Erklärung. Henry O. Godwinn war einer dieser Männer, die mit einem interessanten Gimmick in die Liga kamen, gleichsam aber maximal zu einem Midcard-Status verdammt waren. Wie so oft kam er als Heel, turnte dann Face und versackte schließlich in der Tag Team Division. Das war 1995 jedoch noch Zukunftsmusik. Wir befanden uns in der Phase, in der Godwinn gerade Face geturnt war und das Publikum dadurch unterhielt, dass er den verhassten Bösewichten in angenehmer Regelmäßigkeit Schweinepampe aus einem Eimer über den Kopf goss. Es mag an mir liegen, aber das Blut der Brood überzeugte mich eineige Jahre später irgendwie mehr. Nunja, so war es nunmal. Parallel züchtete man mit Hunter Hearst Helmsley einen neuen starken Heel heran, der als aristokratischer Snob massenweise Heat auf sich zog. Helmsley war sich in seinem Gimmick oftmals zu fein, gegen die etwas gröberen Charaktere anzutreten und so war es nur an der Zeit bis er erst in einer Fehde mit dem Schweinebauern Henry Godwinn und wenig später dann auch mit dem Müllmann Duke Droese stand. Die Fehde mit Godwinn war schnell erklärt. Helmsley war sich zu fein für den dreckigen Bauern und alles wartete nur gespannt auf den Augenblick, in dem Henry den Snop mit der Pampe überdecken durfte. Es muss dazu gesagt werden, dass sich Hunter in seinem ersten Run befand, den man - sehr beliebt - in einer Unbesiegtheits-Serie hypte. Es war somit von vornherein klar, dass man Größeres mit ihm vor hatte und Godwinn nur eine weitere Kerbe in Hunters Wanderstab sein würde. Um das Szenario dann doch etwas interessanter zu gestalten, veranstaltete man beim finalen Aufeinandertreffen der zwei Männer kein normales Match, sondern ein Gimmick Match. Beim Sarg-Match ging es darum, den Gegner in einen Sarg zu befördern, beim Buried Alive in ein Grab und beim Stretcher-Match auf eine Krankentrage. Sieger beim Hog-Pen-Match war der Kontrahent, der seinen Gegner in einen neben dem Ring aufgestellten Schweinestall beförderte.
Ich liebe immer diesen Moment, in dem ich die Absurdität eines solchen Kampfes in einem Satz erkläre und den Leser damit sofort mit der geballten Surrealität der Matchidee konfrontiere. Nun gut, damals klang das plausibel und jeder wollte Helmsley in der Pampe baden sehen. Mit Hillbilly Jim stellte man einen Mann als Special Referee auf, der Hunter vor einer Flucht bewahren sollte und am Ende kam es wie es kommen musste: Godwinn flog in die Pampe und Helmsley blieb unbesiegt. Den abschließenden Triumph wollte man Hillbilly Jim, Henry Godwinn und den Fans aber natürlich nicht vorenthalten und so lag am Ende dann der Aristokrat natürlich auch noch im Schlamm und alle waren happy.
Die erneute Verpflichtung des Schweinebauern durch WWE lässt mich von einer Neuauflage des Kampfes träumen. WrestleMania XXIV - Henry O. Godwinn vs. Triple H in einem Hog Pen Match unter freiem Himmel. Naja, zumindest den anwesenden Zuschauern dürfte das besser gefallen - wie der Schweinestall, in dem übrigens lebendige Tiere auf und ab gewatschelt sind, in der warmen Halle gerochen haben mag, will ich mir lieber nicht vorstellen.

WrestleMania XII (1996)
"Hollywood Backlot Brawl"
Rowdy Roddy Piper vs. Goldust

Wir nehmen meine Vision des "Hog Pen II" bei WM24 und gehen exakt 12 Jahre in die Vergangenheit - oder wir nehmen die beschriebene erste Ausgabe des Schweinestall-Matches und bewegen uns lediglich drei Monate weiter in der Zeit. Damals war Gorilla Monsoon der On-Air-WWF-Präsident. Nach einer Attacke des frisch debütierten Vader musste Monsoon jedoch eine Pause einlegen und wurde durch eine Krankheitsvertretung ersetzt. Zum Jubel der Fans war diese Krankheitsvertretung niemand geringerer als Rowdy Roddy Piper, damals zwar auch schon kein aktiver Wrestler mehr, aber zumindest noch körperlich absolut fit. Piper fällte einige populäre Entscheidungen, wie es sich für einen Face-Präsidenten gehörte und eckte nebenher mit dem großartigen Goldust aneinander. Goldust war auch noch relativ frisch bei der World Wrestling Federation und begab sich immer weiter in Richtung Karrierehöhepunkt. Damals warf er noch mit Filmzitaten um sich und die leicht homosexuelle Note in seinem Charakter wurde sehr dezent und zum Erzeugen von wahrer Heel-Heat eingesetzt. Sprich: Es war zu einer Zeit, in der man Goldust's Charakter auch im Booking-Team noch liebte, was ihn zu einem der stärksten Heels des Rosters machte. Wie geschaffen also, um in eine Fehde mit Über-Face Roddy Piper gesteckt zu werden. Piper wollte aber nicht irgend einen Kampf haben, sondern etwas womit er beweisen könne, dass er immer noch ein Rowdy sei, dass er immer noch der "Hot Rod" sei. Man entschied sich also für einen Streetfight, verlegte diesen Streetfight jedoch tatsächlich auf die Straße und ließ damit eine Farce beginnen, die sich durch die gesamte WrestleMania-Veranstaltung zog. Zunächst sah man Piper mit einem Baseball-Schläger auf einem Hinterhof auf Golust warten. Dieser fuhr standesgemäß mit einem goldenen Fahrzeug vor und die Prügelei begann. Goldust hatte kaum etwas zu melden und wurde nach Strich und Faden vom Schotten verprügelt. Das Match nahm dann seine Wendung, indem sich der Hollywood-Goldie befreien und mit seinem goldenen Cadillac fliehen konnte. Pipers Auto war natürlich auch nicht weit und so verkaufte man den gebeutelten WrestleMania-Zuschauern eine Highway-Verfolgungsjagd, die man über Einspieler über die gesamte Show verteilte. Burt Reynolds lässt grüßen.
Ja und wo führte die Verfolgungsjagd hin? In den Gold-Cave von Goldust? Nein, natürlich in ein noch viel verruchteres Versteck: In die Halle, in der WrestleMania stattfand. Die zwei prügelten sich - natürlich - in den Ring und für das Abschluss-Szenario griff man nochmals ganz tief in die Trick-Kiste. Goldust verpasste Piper einen Schmatzer, dieser riss seinem Gegner vor Wut den goldenen Anzug vom Leib und präsentierte dem Publikum einen Guldust in Damen-Unterwäsche. Daraufhin lief der Entkleidete aus der Halle und Roddy Piper hatte den Hollywood Backlot Brawl in einem Ring ohne jegliche Pinfalls oder Submissions Mir-Nichts-Dir-Nichts gewonnen.
Gorilla Monsoon hatte sich mittler Weile auch wieder erholt und somit endete mit dieser Szenerie nicht nur das Debakel um den Hollywood Backlot Brawl, sondern auch die Präsidentschaft des Hot Rod's. Großartiges Entertainment... ist was anderes. Zum Glück versöhnte man sich mit dem Publikum im direkten Anschluss, als man Shawn Michaels und Bret Hart 60 Minuten Zeit gab, Geschichte zu schreiben.

Das ist vielleicht Deine Meinung, Mann!