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Die zentrale Frage, die sich bei diesem Match stellt ist wohl „Wäre Owen in dieser Liste, wenn er noch leben würde?“. Und die Antwort ist ein klares „keine Ahnung“. Auf dieser Liste steht er natürlich zweifelsohne auch, weil ich als Wrestlingfan der 90er, wie viele andere auch, noch nicht mit Over the Edge 1999 abgeschlossen habe. Owen’s Tod stellte das erste große Unglück in meiner Karriere als Wrestlingfan dar und wird immer unvergessen bleiben. Auf einer Liste derer, die ich im Ring sehen will, verdammt noch mal, da steht Owen Hart einfach drauf.
Und das in einer Art Match, die jeder PPV braucht, um historisch werden zu können. Neben spannenden Storylines, schön erzählten Geschichten, netten Gimmicks, Überraschungen und Skandalen braucht jeder Pay Per View diese eine Sache, die über dem allen steht und dem Rohdiamanten erst den Feinschliff verschafft: der Showstealer. Dieses eine Match, dass allem Programm vor und nach Ihnen trotzt und einfach nur im Squarded Circle rockt, dass das Publikum nur so Kopf steht. Angle-vs-Michaels, Awesome-vs-Tanaka, Austin-vs-Bret alles Paradebeispiele für Matches, die in der Mitte einer PPV-Card standen, die ihn nicht headlinten und um die die Veranstaltung nicht aufgebaut wurde. Die aber wiederum eines geschafft haben: Von den jeweiligen Main Events dieser Shows spricht heute niemand mehr, vom Showstealer schon. Nimmt man als Wrestler an einem solchen teil, dann macht man sich damit unsterblich.
Es bedarf nur zweier Männer mit einwandfreiem Willen, einer ungetrübten Überzeugung und herausragenden Fähigkeiten.
Die Stars und ihre Zeit
Herausragende Fähigkeiten das wird Owen Hart wohl niemand absprechen wollen. Den einwandfreien Willen und seine ungetrübte Überzeugung bewies er nur zu oft und gehört somit zweifelsohne zu der Gruppe Sports Entertainer, die in der Lage dazu waren, jede Show mit einem funktionierenden Gegenüber zu stehlen. Bei WrestleMania 10 tat Owen dies gar im Opener. Diese Zeit war großartig, diese Zeit war genau die Zeit, in der er sich von seinem Bruder Bret abhob und seinen Weg zu gehen begann was ihm gelang. Über die Jahre entwickelte sich Owen zu einem der wenigen stetig glaubwürdigen und unterhaltsamen Heels in McMahon-Land. Er hatte seinen eigenen Stil entwickelt, seine eigene Art, Heel zu sein. Und es funktionierte. Es fällt schwer, sich aus diesen ganzen Jahren den Nummer-1-Owen herauszusuchen, den Owen, den ich am liebsten noch einmal sehen möchte. Nach reiflicher Überlegung entschied ich mich dann für die Phase, die er eigentlich einer Rede von Shawn Michaels zu verdanken hatte. Es war zu der Zeit, als Bret, the Anvil und der British Bulldog in die WCW wechselten den Montreal Screwjob gerade hinter sich. HBK bezeichnete Owen in einer Rede als das letzte Überbleibsel der Hart Foundation und verglich ihn mit dem kleinen Stück Kacke, dass auch nach dem Spülen in der Schüssel verbleibt auf englisch: „Nugget“. Owen präsentierte sich als humorloser Giftzwerg, der diese Bezeichnung hasste und fehdete gegen die d-X.
Owen war auch ein guter Face, doch als Heel war er eine Sensation, eine Eingebung, ein Maßstab. Chris Jericho hingegen beherrschte beide Rollen wie kaum ein Zweiter. Auf Händeklatschen konnte er der Top-Heel der Promotion sein, von den Fans verhasst, ausgebuht genauso konnte er die Massen auf seine Seite ziehen und sie wieder zu Jerichoholics werden lassen. Glücklicher Weise führte man Jericho als Heel in die Liga ein. Man gab ihm die Chance zu wachsen, in der Rolle groß zu werden und wie es so oft bei der wirklich genialen Sorte Heels ist: Jericho wurde so verdammt gut als Heel, dass die Menschen in die Hallen kamen, nur um ihn zu sehen und machten ihn damit langsam aber sicher zum Top-Face der Shows von World Wrestling Entertainment. Nach diesem initialen Faceturn trat er bei einer regulären RAW-Show überraschend gegen WWF-Champ Triple H an und besiegte diesen mit Hilfe eines Fastcounts von Earl Hebner. Das Publikum rastete aus. Zwar wurde der Titelgewinn innerhalb einer genialen Storyline für ungültig erklärt, aber diese Zeit prägte Jericho in meiner Gunst für immer. In dieser Zeit will ich Jericho nochmals erleben. Seine erste Facephase bei der WWF, als Jericho zum „Ayatollah of Rock and Rolla“ und die Fans zu Jerichoholics wurden.
Das Match die Motivation
Owen lebte in der beschriebenen Zeit von den Sticheleien seiner Gegenüber. Und niemand könnte dieser Rolle des Stichelnden neben HBK besser gerecht werden als Chris Jericho. Ich stelle mir vor, wie Owen im Ring steht und Promos hält, in denen er sich über alles und jeden beschwert dann von Jericho unterbrochen wird, ein Wortduell mit Owen im Ring und Y2J auf der Rampe entfacht, bei dem das Publikum Chris Jericho vergöttert und Owen Hart verspottet. Eine 90er-Fehde wie aus dem Bilderbuch mit wenig direkten Konfrontationen, keinen Aufbauarbeiten mit ständigen Tag Team oder 6-Man-Tag-Team Matches gegeneinander, sondern Eingriffe in die Matches der anderen, Promos, Streitduelle, einstweilige Verfügungen das volle Programm. Bei der reinen Vorstellung daran, wandle ich mich beinahe wieder in den Mark, der ich damals einmal war. Die Woche vor dem PPV wird dann abgeschlossen mit dem finalen Staredown, ohne Spielchen und Sprüche, voller Ernst und Konzentration.
Die Vision
Genau in der Stellung geht es dann zu Beginn des Showstealers weiter. Ein langer Staredown bis zur Ohrfeige von Owen gegen Jericho und das Feuerwerk beginnt! Wie dieses Match ablaufen könnte, vermag ich hier nicht niederzuschreiben. Beide Männer schöpfen aus ihrem schier unerschöpflichen Repertoire und pushen sich gegenseitig immer weiter auf, bis das ganze dann letztlich im Sharpshooter/Bosten-Crab-Krimi endet, den Owen am Ende für sich entscheidet.
Der Showstealer das Match, von dem auch Jahre später noch gesprochen wird. Nicht der Aufbau, die Story dahinter, das Umfeld oder sonst was nur das Match. Und dieses Match macht die Teilnehmer unsterblich. Würde Owen hier also auf dieser Liste stehen, wenn er noch leben würde? Ich weiß es immer noch nicht, aber für mich gehört er hier hin, für mich macht er sich gemeinsam mit Jericho in diesem Match unsterblich.
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